Vorrats-Datenspeicherung
neues Urteil vom EuGH erweitert das Verbot, allerdings mit Ausnahmen

Mit der Vorratsdatenspeicherung sorgten die EU-Länder 2006 unter Bürgerrechtlern für nichts weniger als einen handfesten Skandal. In Deutschland wurde ein entsprechendes Gesetz im November 2007 verabschiedet. Bereits das Bundesverfassungsgericht erklärte die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig, nun zog der EuGH nach und erweiterte das Verbot. Doch mit dem Urteil wurden den Behörden auch neue Befugnisse erteilt. Was diese nun dürfen und was nicht mehr legal ist, verrät dieser Überblick.

Als Instrument für Sicherheitsbehörden und kriminalpolizeiliche Ermittlung hat die VDS Anbieter öffentlich zugänglicher Kommunikationsdienste und Betreiber von Kommunikationsnetzen dazu verpflichtet, bestimmte für potentielle Ermittlungen zu speichern und gegebenenfalls freizugeben.

Die Daten waren nicht durch die vertraglichen Bindungen zwischen Kunde und Betreiber gedeckt, sondern mussten über diese Frist hinaus gespeichert werden. Hierzu gehörten etwa Daten wie der Einzelverbindungsnachweis, mit dem Behörden feststellen konnten, mit wem Verdächtige im Kontakt standen.

Die Daten gleich mehrerer Vertragspartner werden auf Vorrat hinterlegt. Auch IP-Adressen, Standortdaten und Telefonnummern sollten gespeichert werden, explizit aber nicht die Inhalte. Aus jenen Daten sollte ursprünglich ein Täterprofil erstellt werden, um Gefahren frühzeitig zu erkennen.

So müssten Unternehmen wie O2, Vodafone oder die Deutsche Telekom Daten ihrer KundInnen beispielsweise auf Abfrage der Polizei weitergeben, selbst wenn es vertraglich keinen Grund mehr gibt, dass die Daten noch zentral beim Unternehmen archiviert werden.

Das Bundesverfassungsgericht erteilte der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung 2010 eine Absage und verpflichtete die Unternehmen dazu, bisher gesammelte Daten zu löschen. Mit dem neuen Urteil aus Luxemburg vom 6. Oktober 2020 folgte nun der Europäische Gerichtshof und bestätigte die nationalen Regelungen, die eine VDS zuvor bereits für unzulässig erklärt hatten.

Die Agrumentation des Gerichts:

In der Begründung wurde erneut bestätigt, dass Bürgerrechte von EU-BürgerInnen nicht anlasslos verletzt werden dürfen. Denn die Vorratsdatenspeicherung war immer dazu ausgelegt, unterschiedslos Daten zu sammeln – ganz gleich also, ob von Kriminellen, Verdächtigen oder unbescholtenen Bürgern. BürgerInnen werden also, so die Kritiker, unter Generalverdacht gestellt.

In Deutschland hat das Urteil des EuGH zunächst keine direkten Konsequenzen, da die anlasslose VDS hierzulande ohnehin auf Eis liegt. Um die konkreten Regelungen in Deutschland ging es in dem EuGH-Urteil auch nicht, hierzu läuft derzeit ein separates Verfahren – das Urteil wird noch einige Monate auf sich warten lassen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte die deutsche VDS vor den Europäischen Gerichtshof gebracht.

Der politische Blickwinkel

Politischen Zündstoff bietet das Urteil dennoch, Innenminister Horst Seehofer (CSU) gilt als großer Verfechter der Vorratsdatenspeicherung als Instrument zur Bekämpfung organisierter Kriminalität. Auch aus SPD-Kreisen signalisierte Justizministerin Lamprecht Bereitschaft dazu, VDS einzusetzen, um Ermittlungen gegen Kindesmissbrauch voran zu treiben. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass dies mit deutschem und europäischem Recht vereinbar sein.

Big Data Fazit

Ein Sieg für Datenschützer ist das neue Urteil des EuGH allerdings nicht, denn eigentlich war die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ohnehin 2016 verboten worden. Dieses Verbot wurde nun ein wenig aufgeweicht, Grund hierfür ist vermeintlich der Druck, den einige Nationalstaaten auf den EuGH ausgeübt haben. Um Datenschutz ging es dabei jedoch weniger als vielmehr um nationale Befugnisse, der EuGH folgte der Argumentation zwar nicht ganz, doch mit einigen neuen Instrumenten haben die Behörden dennoch erweiterte Befugnisse bekommen. Konkret bedeutet dies, dass Kontakt- und Standorddaten gespeichert werden dürfen, wenn ein nachweisbarer, ernsthafter Terroranschlag droht. Auch IP-Adressen dürfen in diesen Fällen gesammelt werden. Voraussetzung bleibt aber eine richterliche Genehmigung, die VDS darf nur so lange wie unbedingt nötig erfolgen.

Aus deutscher Sicht bleibt abzuwarten, wie das Urteil für die Vorratsdatenspeicherung hierzulande ausfällt. Das aktuelle Urteil des EuGH kann aber sowohl als Erfolg für die Strafverfolger als auch für die Bürgerrechtler gewertet werden. Behörden erhalten im Ernstfall erweiterte Zugriffe, eine anlasslose Sammlung von Daten aller BürgerInnen ist jedoch vorerst vom Tisch.